Ein großer Teil besonders begabter Kinder und Jugendlicher kann seine Begabung in angemessene Leistungen umsetzen und ohne größere Schwierigkeiten den gewünschten Schulabschluss erreichen. Dennoch ist es wichtig - und das gilt für alle Lernenden - optimale Voraussetzungen für die Entfaltung von Persönlichkeit und Potenzial zu schaffen. Dafür ist die Passung zwischen Kind und Lernumwelt eine zentrale Voraussetzung.
Besteht diese Passung nicht, berichten Lernende mit besonderen Begabungen häufig von einer schulischen Unterforderung. Sie erfassen und lernen schneller, benötigen weniger Erklärungen, Wiederholungen und formale Übungsphasen als andere. Zusatzaufgaben werden oft von den Lehrkräften vorgegeben und stellen nicht selten ein "Mehr" an bekannten Aufgaben dar, die als langweilig erlebt werden. In Routineaufgaben unterlaufen besonders begabten Lernenden aufgrund der geringen Herausforderung häufig Flüchtigkeitsfehler, die als Zeichen mangelnden Könnens missdeutet werden können.
Dauerhafte schulische Unterforderung kann bei Lernenden mit besonderen Begabungen mit negativen Folgen für die schulische und persönliche Entwicklung verbunden sein. In Abhängigkeit von Ausmaß und Dauer der Unterforderung können die entstehenden Konsequenzen entsprechend kurz- oder langfristig sein. So können zum Beispiel auftreten:
Dass etwas nicht stimmt, wird von Lehrkräften und/oder Eltern vor allem bei deutlich sichtbaren Folgen wie Unterrichtsstörungen oder Verschlechterung der Schulnoten bemerkt. Die Herausforderung besteht darin, diese Phänomene richtig zu deuten.
Es besteht vereinzelt auch die Gefahr, dass sich die erlebte permanente Unterforderung in psychosomatischen Beschwerden, wie Bauch- und Kopfschmerzen, oder sogar depressiven Verstimmungen manifestiert.
Treten Anzeichen einer Unterforderung auf, besteht Handlungsbedarf. Dabei können Gespräche mit dem Lernenden, Lehrkräften und Eltern zur Analyse der Situation, aber auch die Kontaktaufnahme zu unserer Beratungsstelle hilfreich sein. Maßnahmen der individuellen Förderung können für eine bessere Passung zwischen den schulischen Anforderungen und der Persönlichkeit und dem Leistungsvermögen des Kindes bzw. Jugendlichen sorgen. Weitere Informationen zu Fördermöglichkeiten finden Sie hier.
Besonders begabte Kinder und Jugendliche sind nicht häufiger von Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Störungen betroffen als Kinder und Jugendliche mit durchschnittlicher Intelligenz. Im Gegenteil, einige Studien belegen, dass begabte Kinder eine bessere sozio-emotionale Anpassung und weniger Verhaltensauffälligkeiten zeigen als durchschnittlich begabte Gleichaltrige (z. B. Francis, Hawes & Abbott, 2016). Dennoch können auch besonders begabte Kinder medizinische und psychische Probleme haben.
Weiterhin kann es aber auch sein, dass hochbegabte Kinder Verhaltensweisen zeigen, die als Verhaltensstörungen missgedeutet werden. So ist es beispielsweise nicht immer einfach, Unaufmerksamkeit und Tagträumen, schnelle Ablenkbarkeit und unruhiges Verhalten im Unterricht richtig einzuordnen: Handelt es sich um Anzeichen einer ADHS oder reagiert das Kind bzw. der Jugendliche auf nicht ausreichende intellektuelle Herausforderungen? Zudem können Schwierigkeiten im Umgang mit Gleichaltrigen und das ausgeprägte Interesse für ein einzelnes Themengebiet Hinweise auf eine Autismusspektrumsstörung sein, aber auch ein Zeichen dafür, dass ein besonders begabtes Kind mit außergewöhnlichen Interessen (noch) keine Gleichaltrigen auf "Augenhöhe" gefunden hat.
Literatur: