Begabung ist eine Facette der menschlichen Persönlichkeit und bezeichnet allgemein das leistungsbezogene Potenzial eines Menschen. Begabung ist nicht direkt beobachtbar, so dass auf Begabungen häufig über die Leistung geschlossen wird. Dabei sind intellektuelle Begabungen und Potenziale zwar eine notwendige Voraussetzung für Leistung, erklären diese jedoch nicht hinreichend.
Eine überdurchschnittliche (intellektuelle) Begabung stellt ein sehr hohes Entwicklungspotenzial dar. Von „Hochbegabung“ wird gesprochen, wenn durch ein standardisiertes Verfahren ein Intelligenzquotient von mindestens 130 ermittelt wird. Da diese Definition zu eng gefasst ist, wird für die Arbeit der BzB die Wendung „Besondere Begabung“ bevorzugt. Besonders begabt sind in diesem Sinne alle Schülerinnen und Schüler, die in einer oder mehreren messbaren Intelligenzdimensionen (z.B. sprachliches, mathematisches, räumlich-konstruktives Denken) überdurchschnittliche Leistungen erbringen oder aufgrund ihres intellektuellen Potenzials unter Einfluss verschiedener Umweltbedingungen erbringen könnten.
Ein grundlegendes Modell zum Verständnis besonderer Begabungen ist das Münchner (Hoch-)Begabungsmodell (Heller & Perleth, 2007, s. Abbildung). In diesem Modell stellt die intellektuelle Begabung nur einen von vielen Begabungsfaktoren dar, welche Voraussetzung für die sichtbare bzw. messbare Leistung in einem bestimmten Bereich sind. Daneben bestehen weitere verschiedenste Einflüsse. So haben schulische und häusliche Umweltmerkmale sowie Merkmale der/s Lernenden (nicht-kognitive Merkmale, z. B. Leistungsmotivation, Interessen, Arbeitsverhalten, Stressbewältigung) Auswirkungen auf die Ausschöpfung des Potenzials. Diese Merkmale können sowohl Hochleistung (sehr gute Ausschöpfung bzw. messbare Leistung) als auch Minderleistung (sehr niedrige Ausschöpfung bzw. messbare Leistung; auch Underachievement genannt) verursachen.
Abbildung: Das Münchner (Hoch-)Begabungsmodell als Beispiel für mehrdimensionale, typologische Begabungskonzepte (aus Heller & Perleth, 2007, S. 10; mit freundlicher Genehmigung des Hogrefe Verlages, www.hogrefe.de; farbliche Gestaltung der Grafik: BzB)
„Hochbegabung wird heute überwiegend verstanden als ein geistiges Potential, welches sich unter günstigen Bedingungen zu herausragenden Leistungen und Kenntnissen entwickeln kann, aber nicht muss.“ (Karg-Stiftung, S. 9; FAQs der Karg-Stitfung als pdf).
In vielen Begabungsmodellen wird Intelligenz als Begabungsfaktor beschrieben (z.B. im Münchner Hochbegabungsmodell von Heller, 1992; Heller & Perleth, 2007) oder als Vorbedingung für begabtes Verhalten gesehen (z.B. in Renzullis Drei-Ringe-Modell; Renzulli, 1978). Intelligenz kann allgemein als die Fähigkeit zum Denken, Lernen und Problemlösen beschrieben werden. Je nach Perspektive betonen unterschiedliche Wissenschaftler/innen andere Facetten der Intelligenz. Jedoch stimmen die meisten darin überein, dass Intelligenz beschreibt, wie gut eine Person schlussfolgernd denken, planen, Probleme lösen, abstrakt denken, komplexe Ideen verstehen und aus Erfahrungen lernen kann (Gottfredson, 1997).
Um die Höhe der Intelligenz einer Person zu ermitteln, werden gebräuchlicherweise Intelligenztests (siehe auch Diagnostik besonderer Begabungen) verwendet. Die Darstellung der prozentualen Häufigkeit der Intelligenztestwerte folgt einer Glockenkurve, der sog. Normalverteilung. Dabei handelt es sich um eine ganz bestimmte Form der Merkmalsverteilung in der Bevölkerung, bei der die Ausprägungen im mittleren Bereich des Merkmals überwiegen. Circa 70% der Bevölkerung weisen eine Intelligenz im Durchschnittsbereich (IQ zwischen 85 und 115) auf. Demgegenüber sind nur knapp 2,1% der Bevölkerung „weit überdurchschnittlich intelligent“, weisen also einen IQ größer 130 auf.
Abbildung: Normalverteilung der Intelligenz; Grafik: BzB
Gängige Intelligenztests drücken ihr Ergebnis häufig in einem Intelligenzquotienten (sog. „IQ“) aus. Dieser ist häufig ein Durchschnittswert, sagt jedoch nichts über die erfassten Bereiche der intellektuellen Fähigkeiten aus. Er ist somit auch nur wenig aussagekräftig, wenn es um die Ableitung geeigneter (schulischer) Förderstrategien geht. Wir tragen dem Rechnung und greifen daher im Beratungsprozess ausschließlich auf das ermittelte individuelle Begabungsprofil zurück, welches Aufschluss über individuelle Stärken und Schwächen gibt.
Ein IQ stellt lediglich eine Norm dar und gibt an, wo ein individuelles Testergebnis im Vergleich zu einer altersgleichen Bezugsgruppe einzuordnen ist. Auch die Prozentrangwerte (PR) nehmen Bezug auf eine Vergleichsgruppe: Sie geben an, welcher Prozentsatz dieser Gruppe ein gleich gutes oder schlechteres Ergebnis erzielte.
Besonders begabte Kinder unterscheiden sich von anderen Kindern deutlich in der Ausprägung ihrer Intelligenz, d. h. ihre intellektuellen Fähigkeiten liegen weit über dem Durchschnitt. Als Hinweise auf eine mögliche besondere Begabung können daher vor allem Merkmale und Fähigkeiten herangezogen werden, die eng mit der Intelligenz zusammenhängen.
Diese Merkmale sind zum Beispiel:
Je jünger ein Kind ist, desto unsicherer sind jedoch Prognosen für die weitere Begabungs- und Leistungsentwicklung!
Die genannten Merkmale können ein Hinweis auf eine besondere Begabung sein und als Anlass für eine psychodiagnostische Überprüfung genommen werden. Jedoch bedeutet das Auftreten dieser Besonderheiten bei einem Kind noch nicht zwingend, dass es tatsächlich besonders begabt ist. Vielmehr kann in einem solchen Fall davon ausgegangen werden, dass die Wahrscheinlichkeit für eine besondere Begabung erhöht ist. Eine verlässliche Diagnose können dann Intelligenztests liefern.
Eine wichtige Grundlage im Rahmen der Begabungsdiagnostik spielen Intelligenztests. Sie sind aber nicht das einzige Instrument, das zur Festellung besonderer Begabungen zum Einsatz kommen sollte. Angesichts der Bedeutung der nicht-kognitiven Persönlichkeitsmerkmale und der Umweltfaktoren für die Umsetzung von Potenzial in Leistung ist es wichtig, auch diese Aspekte in den Blick zu nehmen. Um ein Kind gut fördern zu können, braucht es Informationen zu Stärken des Kindes hinsichtlich Intelligenz und Persönlichkeit sowie zu den Entwicklungsmöglichkeiten in seiner Umgebung, um ein individuelles Förderkonzept zu entwickeln.
Weiterführende Informationen zur Begabungsdiagnostik finden Sie hier.
Literatur: